Nachruf: Horst Reinshagen – Die zeitlose Seele des Rock Cafés

Lange silberne Haare, ein Schnauzer mit Kinnbart und eine Goldkette, die aus dem offenen Hemd hervorschaute. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich Horst Reinshagen das erste mal traf. Ich dachte: „Das passt!“ Ich hatte gerade zum ersten Mal sein Rock Café betreten und hätte mir niemand besseren hinter dem Tresen vorstellen können, als diesen Mann, der für mich so aussah, als sei er gerade frisch von einer Harley gestiegen.

„Du siehst hier einen großen Teil meines Lebens!“

„Rock Café“ — das ist so ein Name, den sich mittlerweile blinkende Gastro-Ketten und Designer-Schuppen mit Schirmchen-Cocktails zu eigen gemacht haben. Von Rock — wie ich ihn jedenfalls verstehe — keine Spur. Und daran ändern auch überdimensionierte, blinkende E-Gitarren an den Wänden nichts. Das Rock Café in Paderborn ist da anders, fast wie aus der Zeit gefallen: Die anarchische Urwüchsigkeit einer Kneipe, die sich durch die Abende und Menschen formt statt durch den Stift eines Innendesigners, gibt diesem Ort Charakter, Charme und fast etwas Magisches. An den Wänden und der Decke hängen Bilder und Fotos von vergangenen Konzerten und geselligen Abenden, von Motorrädern und Bierwerbung, von Rockern und Indianern. Betagte Erinnerungsstücke und persönliche Kunstwerke hängen neben Nummernschildern, alten Büchern und Musikinstriumenten. Urig und original — genau wie sein Wirt, Horst Reinshagen.

[pull_quote_center]Du siehst hier einen großen Teil meines Lebens. Dinge, die mit Menschen aus aller Welt zu tun haben. Dinge, die ich als Präsent mitbekommen haben, um mir mein eigenes Wohnzimmer und mein Museum zu schaffen.
Horst Reinshagen[/pull_quote_center]

Horst Rock Café Paderborn

Die zeitlose Seele des Rock Cafés

Horst ist viel rum gekommen in der Welt, davon zeugen die unzähligen Erinnerungsstücke im Rock Café. Inmitten dieser Sammlung ist mir aber ein Bild immer besonders aufgefallen: Kaum wiederzuerkennen schwingt Horst in schwarzem Anzug und Lackschuhen sein rechtes Bein in beeindruckender Tänzer-Pose nach oben und hält es mit der Hand und gespannter Körperhaltung umfasst. Darüber ist zu lesen: „Donnerwetter! Gut gehalten! Alles Gute zum Geburtstag!“ Es ist mir immer schwer gefallen, sein Alter zu schätzen. Irgendwie schien er mir wie die zeitlose Seele dieser Kneipe. Trotz der zahlreichen Gegenbeweise an den Wänden, konnte ich ihn mir nie anders als mit den langen, silbernen Haaren und dem Bart vorstellen.

Horst Rock Café Paderborn

Wie ein FAZ-Kritiker zum geselligen Scherz-Keks wurde

Ich erinnere mich gern an einen besonderen Abend, als ein wichtiger Kunst- und Architektur-Kritiker der FAZ zu Gast in Paderborn war. Er hielt für ein paar Tage einen Workshop an der Uni und fragte einige Teilnehmer und mich, ob wir abends noch etwas trinken gehen wollten. Ich führte ihn ins Rock Café und war gespannt auf seine Reaktion. Bereits beim Betreten des Lokals verliebte er sich augenblicklich in diesen Ort und bestellte — auf Empfehlung von Horst — für uns alle eine Runde des Hausbiers (der Name ist mir entfallen; es war ein dunkles Bier in großen Flaschen). In der Atmosphäre der Kneipe — und wohl auch durch das Bier — verwandelte sich der steife Kritiker plötzlich in einen geselligen Scherz-Keks, der eine Anekdote nach der anderen erzählte. Nachdem er sich mit Horst eine ganze Weile angeregt über das Rock Café unterhalten und uns dabei eine Runde nach der anderen spendiert hatte, klopfte ihm Horst schließlich auf die Schulter und zeigte auf die Vorratskammer:

[pull_quote_center]Du, ich hab keine Lust mehr zu laufen. Du kannst dir ruhig selbst was holen, wenn du noch was willst. Da sind auch Snacks, falls ihr Hunger habt. Ich vertraue euch da.
Horst Reinshagen[/pull_quote_center]

Diese Geschichte ist mir deshalb so gut in Erinnerung, weil sie ganz dem entsprach, was Horst stets über das Rock Café gesagt hatte: Er versuche Menschen zu stimulieren und aus dem Alltag herauszuholen.

[pull_quote_center]Es kann sein, dass es an meiner Art liegt und daran, dass man hier in keinen stinknormalen Laden hineinkommt, sondern in etwas, das Geschichte hat.
Horst Reinshagen[/pull_quote_center]

Der sonst so akkurate FAZ-Kritiker, der zuvor noch in gestärktem Hemd seine penibel ausgearbeitete PowerPoint-Präsentation vorgetragen hatte, schwankte am Ende des Abends glücklich und beseelt in sein Hotel. Und wäre es wahrscheinlich auch geblieben, hätte er nicht am nächsten Morgen um 8 Uhr wieder seinen Workshop halten müssen…

Horst Rock Café Paderborn

Ein Hippster bestellt Whisky-Cola – nicht mit Horst!

Natürlich konnte Horst auch anders. Er, der sich selbst als „Ur-Kölner“ bezeichnete, konnte mit seiner rheinländisch-direkten Art auch anecken. So kann ich mich daran erinnern, wie er mit dem Humor eines Altrockers einen jungen Hippster auflaufen ließ, der sich an der Theke einen Whisky-Cola bestellte. „Haben wir nicht!“, schnarrte Horst. „Da steht doch Whisky im Schrank und Cola haben Sie auch…“, entgegnete der Hippster. Horst schwieg und ignorierte den Jungen einfach, der sich sichtlich blöd vorkam. „Und? Bekomme ich’s jetzt oder nicht?“ Schließlich hatte Horst Erbarmen, pfefferte das Glas auf den Tresen, goss widerspenstig Whisky ein und die Cola kopfschüttelnd hinterher. Wer einen Altrocker schon mal nach Whisky-Cola gefragt hat, weiß Horsts Reaktion zu schätzen.

Seine — wie er es nannte — „humorvolle Beklopptheit“ konnte aber auch dem notwendigen Ernst weichen, wenn es erforderlich war. Ich kann mich an eine Situation erinnern, in der sich ein betrunkener Gast etwas zudringlich an die Freundin eines jungen Studenten heranmachte. Horst bekam das mit und wies den Gast sofort zurecht: „Reiß dich zusammen und setz dich wieder hin oder du fliegst raus!“ Klare Worte und schon war die Sache geregelt.

Horst Rock Café Paderborn

Rock in Peace!

Lieber Horst, ich kann nicht behaupten, dich intensiv gekannt zu haben — was sind schon ein paar Worte am Tresen? Ich kann nur aus meinen Erinnerungen und Erlebnissen berichten, die ich in deinem „Wohnzimmer“ gesammelt habe. Als ich gehört habe, dass du vor ein paar Tagen das Leben verlassen musstest, konnte ich es nicht glauben! Viele haben Tage zuvor noch mit dir am Tresen gesprochen, waren im Rock Café ein Bier trinken oder haben dich in der Stadt getroffen. Mit dir geht ein Original, ein Weltenbummler, die Seele des Rock Cafés. Doch du lebst weiter in den Geschichten und Erinnerungen, die sich mit dir verbinden, und der Kneipe, die du schon zu Lebzeiten zu deinem Museum gemacht hast. Und so bleibt nur noch eins zu sagen: Rock in Peace!

Die Trauerfeier findet am Freitag, den 3. Juli, um 12:15 Uhr an der Kapelle des Westfriedhofs in Paderborn statt.

Beerdigung Horst Reinshagen Rock Café Paderborn

https://vimeo.com/82953689

Bild- und Quellennachweis: Nachtaktiv | Creative Commons

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